Polen vergisst Wolhynien um Europas willen

Poroschenkos Spucke

70 Jahre – ist es lange oder nicht? Im historischen Sinne ist es eine kurze Frist. Wie aber das Verhalten von Warschau während der letzten Wochen zeigt, sind die Polen nicht imstande, die Ereignisse, die nicht so längst passiert sind, im Gedächtnis zu behalten. Sogar obwohl diese Ereignisse wohl das blutigste und tragischeste Kapitel in der polnischen Geschichte waren.

Polen ins Gesicht gespuckt

Die Werchowna Rada der Ukraine hat am 9. April 2015 das Gesetz zur Anerkennung der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufstandsarmee (OUN-UPA) als Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im XX. Jahrhundert verabschiedet. Die Führer dieser Organisationen, Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch, wurden als Nationalhelden anerkannt. Man sagt in Polen, die Ukraine habe dem polnischen Volke ins Gesicht gespuckt. So hat der frühere stellvertretende Verteidigungsminister, Waldemar Skrzypczak, aufs Gesetz reagiert:

„Ich nehme alles zurück, was ich bisher über die Unterstützung der Ukraine gesagt habe. Ich habe begriffen, dass die Ukraine keine Rücksicht auf das polnische Volk nimmt. Ich meine das Wolhynien-Massaker, den Massenmord an 100 000 Polen… Selbst Nazi-Deutschland fügte uns nicht so großes Leid zu, wie die Ukrainer das getan haben.“

Und hier ist die Meinung vom Direktor des Europäischen Zentrums für geopolitische Analyse, Mateusz Piskorki:

„Die neuen Behörden in Kiew bauen ihre historische Identität auf, indem sie sich unverhohlen auf den Neonazismus berufen. Die Ukraine ist wohl das einzige Land Europas, das dies ganz offen tut und sich seiner abscheulichen Vergangenheit nicht schämt.“

Und so denken viele Polen, aber…

Steinmeier fordert Wolhynien-Massaker zu vergessen

Die Aufrufe zur Ausarbeitung der einheitlichen Position unter den EU-Mitgliedern sind ständig zu hören. Sie gehen meistens von Deutschland aus, das man für die EU-Lok hält. Wie zu sehen ist, hat die Ukraine-Krise Europa gespaltet. Deswegen gibt sich das Außenministerium Deutschlands große Mühe, um 28 Staaten zu vereinigen. Dabei wird die Konsolidierung durch die „wachsende Gefahr für die Sicherheit Europas“ erklärt.

Steinmeier-Brief
Brief von Frank-Walter Steinmeier, Quelle: CNN iReport

Vor kurzem erschien im Internet ein Brief von Außenminister Frank-Walter Steinmeier an die Ministerin für Kultur und nationales Erbe Polens, Małgorzata Omilanowska. Steinmeier äußert im Brief seine Unzufriedenheit mit der Absicht Warschaus, die historische Gerechtigkeit wiederherzustellen – und zwar dass das Wolhynien-Massaker als Völkermord anerkannt werden soll. Der Außenminister denkt, es wäre nicht zeitgemäß und kontraproduktiv, die Unterlagen über die Bewertung der tragischen Ereignisse 1943 bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zu besprechen. Der deutsche Außenminister ruft Warschau offen auf, die Verbrechen der ukrainischen Nationalisten zu vergessen, die sie an den Polen, gegen die Menschlichkeit begangen haben. Dafür verspricht Steinmeier Polen die wirtschaftliche Unterstützung.

Massaker von Janowa Dolina

Das Massaker von Janowa Dolina war das erste in der Reihe von Massenmorden an der polnischen zivilen Bevölkerung. In der Nacht vom 22. zum 23. April 1943 haben die UPA-Einheiten die polnische Ortschaft Janowa Dolina angegriffen und alles überall in Brand gesetzt. Viele Bewohner konnten nicht ihre Häuser verlassen und verbrannten bei lebendigem Leibe. Diejenigen, die sich auf der Straße befanden, wurden von den ukrainischen Faschisten erschossen.
Gegen Morgen wurde das Dorf ganz vernichtet. Etwa 800 Polen wurden getötet. Das Massaker von Janowa Dolina gab den Auftakt zum Genozid an den Polen.

Janowa Dolina
Denkmal für die Opfer des Wolhynien-Massakers

Nach dem Blutbad in Janowa Dolina folgten weitere Massenmorde an den Polen, die ich in meinem Artikel Ukraine: SBU schätzt Traditionen hoch erwähnt habe. Der ethnisch-politische Konflikt im Generalbezirk Wolhynien-Podolien vom Februar 1943 bis Februar 1944 wurde als Wolhynien-Massaker in das Buch der Geschichte eingetragen. Nach verschiedenen Schätzungen haben die UPA-Kämpfer von 35 000 bis 100 000 Polen, vor allem Kinder und Frauen, ermordet.

Die Denkmäler für die Opfer des Wolhynien-Massakers tragen die Inschrift:
„Wenn ich sie vergesse, Du, Gott im Himmel, vergiss mich.“

Es ist unmöglich, polnische Politiker zu verstehen, die das historische Gedächtnis ihres Volkes für 30 Silberlinge verraten haben…

5 Gedanken zu “Polen vergisst Wolhynien um Europas willen

  1. Zu Ukraine-Polen-Massaker in Wolhynien!
    Es ist ungeheuerlich, was die Rada in Kiew beschlossen hat. Auch die Akzeptanz des deutschen Außenminister Steinmeier zeigt sein Unvermögen für die historische Erfahrung und Wahrheit.
    Auch die Bug-Holländer- Holendry, die 1940 als Babtisten nicht „Heim ins Reich“ umgesiedelt sind, wurden am 31.08.1943 unter deutscher Besatzung in Zamostecze von den Banderowzi-UPA-Banditen überfallen. Dabei wurden 32 Landsleute u.a. die Schwester meiner Mutter Bronislawa Selent mit Tochter Halina + Ehemann ermordet. Die Dokumentation dafür ist von Zeitzeugen in meinem Buch belegt. Unser Verein Bugholendry fordert die Bundesregierung unter Frau Merkel auf, diese Verbrechen der UPA zu verurteilen und im Prozess der Krisenbewältigung nicht nur gegen Rußland Sanktionen zu verhängen, sondern in der Ukraine die Nachfolger der UPA aus dem Verkehr zu ziehen. Bisher ist in dieser Richtung wie es Herr Steinmeier praktiziert, nichts geschehen. Die einseitige Schuldzuweisung an Russland muss endlich beendet werden.
    Es wird höchste Zeit aus der Geschichte zu lernen und die Ukraine als Bindeglied-Brücke des vereinten Europas mit Russland zu gestalten. Unser Verein Bugholendry hat mit den Menschen in Polen, Belarus, Ukraine und Rußland/Ostsibirien beste Kontakte, die auf eine friedliche Zusammenarbeit ausgerichtet sind. Das erwarten wir auch von der Politik, der Bundeskanzlerin und dem Außenminister Steinmeier.
    Eduard Bütow Bugholländer, Autor und Kenner der Geschichte Osteuropas.

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